Was ist die Belichtungszeit in der Fotografie?

Belichtungszeiten werden als Bruch angegeben – aber was bedeutet das eigentlich? Lest weiter, um es zu verstehen
Die Belichtungszeit ist ziemlich selbsterklärend: Sie gibt an, wie lange der Verschluss in eurer Kamera geöffnet wird, und wie lange demzufolge Licht auf den Sensor der Kamera trifft. Wie bei ISO und Blende verändert die Belichtungszeit die Helligkeit eures Fotos.
Die Belichtungszeit ist einer von drei Belichtungsfaktoren. Für die anderen beiden, ISO und Blende, haben wir weitere Artikel für euch. Zusammen bilden diese drei Elemente das sogenannte „Belichtungsdreieck“.

Stellt die Belichtungszeit mit den Einstellrädern ein
Bei den meisten Kameras könnt ihr die Belichtungszeit mit einem der Einstellräder anpassen. Neuere spiegellose Kameras wie meine Nikon Z6II ermöglichen die Wahl der Belichtungszeit und andere Einstellungen auch über den Touchscreen auf der Rückseite der Kamera.
Die Messung der Belichtungszeit
Belichtungszeiten werden in Sekunden oder Sekundenbruchteilen angegeben – etwa 1/200 – und sagen aus, wie lange der Verschluss geöffnet bleibt. Die Einstellung 1/200 bedeutet also, dass sich der Verschluss in eurer Kamera für 1/200stel Sekunde öffnet. Das ist auch genau die Zeit, in der Licht auf den Sensor fällt.
Je höher die Zahl, desto kürzer die Belichtungszeit. 1/1000 ist also fünfmal schneller als 1/200. Kurze Zeiten wie 1/1000, 1/2000 oder noch weniger nutzt man, um schnelle Bewegungen – etwa von Sportler:innen oder Wildtieren – einzufrieren. Mit hochwertigen Profikameras wie der Nikon Z8 könnt ihr Belichtungszeiten von bis zu 1/32000 erreichen.
Umgekehrt gilt: Je größer die Zahl, umso länger die Belichtungszeit. Der Verschluss bleibt länger geöffnet, und das Licht trifft länger auf den Sensor. Mit längeren Belichtungszeiten können kreative Effekte wie Lichtspuren oder Mehrfachbelichtungen umgesetzt werden. Eine sehr lange Belichtungszeit nennt man deshalb manchmal auch „Shutter ziehen“ (im Englischen: dragging the shutter).
Von links nach rechts: 1/15, 1/125, 1/1000, 1/4000 Sekunde
So setzt ihr die Belichtungszeit kreativ ein
Dynamische Bewegungen, eingefroren im perfekten Moment – wie jemand in der Luft oder ein Football-Spieler beim Fangen des Balls – können richtig eindrucksvoll wirken, wenn man es richtig macht. Nachtszenen mit Lichtspuren von Rücklichtern erzeugen oft eine geheimnisvolle, nostalgische Stimmung, Wer die Belichtungszeit sicher beherrscht, kann solche Ideen gezielt umsetzen.
Kürzere Belichtungszeiten – 1/1000 und schneller – frieren Bewegungen ein. Damit könnt ihr einen Kolibri im Flug oder ein Rennauto auf der Strecke perfekt einfangen. Wenn ihr jemanden im Sprung fotografiert, kann es mit ausreichend kurzer Verschlusszeit so wirken, als würde die Person schweben – ganz ohne Bewegungsunschärfe.
Lange Belichtungszeiten hingegen erzeugen Unschärfe. Ihr könnt die Wirkung auf dem Bild unten sehen, das ich in der Grand Central Station in New York aufgenommen habe. Das Gebäude und die Objekte sind scharf, die Menschen verschwommen. Der Effekt entstand, weil die Kamera auf einer stabilen Fläche lag und eine sehr lange Verschlusszeit eingestellt war.

Z6II + AF-S NIKKOR 50mm f/1.4G + Mount Adapter FTZII. 50 mm, 1 s, f/5, ISO 100, © John Bogna
Das gleiche Prinzip gilt für Bewegung bei Fahrzeugen oder Wasser und für alles, was ihr in eurem endgültigen Bild weichzeichnen oder verwischen möchtet. Mit speziellen Objektivfiltern – den sogenannten ND-Filtern (Neutraldichte) – könnt ihr den Verschluss auch bei hellem Tageslicht lang genug offen lassen, um Bewegung zu verwischen, ohne dass der Rest des Bildes überbelichtet wird – vorausgesetzt, die Kamera ist stabilisiert.
Mehr dazu: Der unverzichtbare Leitfaden für Filter: Welche sind für Schnee, Wasser und Effekte geeignet?
Die Belichtungszeit beeinflusst den kreativen Look. Von links nach rechts: © Ben Moore, © Scott Antcliffe, © Pauline Ballet
So beeinflusst die Belichtungszeit die Belichtung
Ändert ihr die Belichtungszeit, verändert ihr damit auch die Helligkeit eures Bildes – je nachdem, ob ihr mehr Licht hereinlasst oder weniger. Manchmal kann man die gewünschte Belichtung nur durch eine lange Belichtungszeit bekommen. In der Astrofotografie sind beispielsweise Belichtungszeiten von 30 Sekunden bis zu mehreren Minuten üblich, da der Sensor viel länger braucht, um Licht zu sammeln. Wenn ihr jedoch länger als 30 Sekunden belichtet, werden auf dem Bild Sternspuren zu sehen sein, da die Welt bekanntermaßen nicht stillsteht. Ihr könnt das umgehen, indem ihr mehrere Aufnahmen kombiniert oder ein Star-Tracker-System nutzt, das eure Kamera langsam mit den Sternen mitbewegt.
Unabhängig von der verwendeten Geschwindigkeit müsst ihr diese mit euren anderen Einstellungen ausbalancieren, um ein gutes Foto zu erhalten. Wenn ihr euch in einem dunklen Raum befindet und trotzdem möglichst wenig Bewegungsunschärfe wollt, könnt ihr die Belichtungszeit bis zu einem gewissen Punkt verkürzen – und gleichzeitig die ISO erhöhen und die Blende weiter öffnen.


So stellt ihr die Belichtungszeit ein
Bei den meisten Kameras könnt ihr die Belichtungszeit mit einem der Einstellräder anpassen. Neuere spiegellose Kameras wie meine Nikon Z6II ermöglichen die Wahl der Belichtungszeit und andere Einstellungen auch über den Touchscreen auf der Rückseite der Kamera.
Im Modus Blendenautomatik (das „S“ auf dem Funktionswählrad der Kamera) wählt ihr die Belichtungszeit. Die Kamera passt die anderen Einstellungen automatisch an eure Auswahl an. Dieser Modus ist super, um zu verstehen, wie ISO, Blende und Verschlusszeit zusammenwirken – und um gezielt mit einer Einstellung zu experimentieren.
Mehr dazu: Kameramodi verstehen
Auswahl der richtigen Belichtungszeit
Es gibt kein Patentrezept für die Belichtungszeit, aber ihr könnt mit den hier besprochenen Prinzipien die beste Belichtungszeit für eure Ausgangssituation ermitteln. Wenn ihr Bewegungen einfrieren wollt, nehmt eine kurze Belichtungszeit. Wenn ihr mehr Licht benötigt oder Unschärfe erzeugen möchtet, eine längere. Welche Einstellung genau passt, müsst ihr durch Ausprobieren herausfinden.
Denkt bei der Auswahl einer Belichtungszeit an die jeweiligen Nachteile. Kürzere Zeiten lassen weniger Licht durch – gleicht das aus, indem ihr den ISO-Wert erhöht, die Blende weiter öffnet oder beides kombiniert.

Experimentiert mit der Verschlusszeit, bis ihr den gewünschten Look erreicht habt. Von links nach rechts, von oben nach unten: Belichtungszeit 1/15, 1/40, 1/125, 1/400, 1/1000, 1/4000.
Bei langen Belichtungszeiten kommt es zu Bewegungsunschärfe. Verwendet daher ein Stativ oder haltet eure Einstellung über einer bestimmten Geschwindigkeit, wenn ihr aus der Hand fotografiert. Wenn sich euer Motiv nicht bewegt, z. B. wenn jemand für ein Porträt sitzt, sollte eine Belichtungszeit von 1/200 ausreichen, um jegliche Bewegungsunschärfe zu beseitigen. Bei zu langer Belichtungszeit kann ein freihändig aufgenommenes Bild durch Verwacklungen unscharf werden. Moderne Kameras (und manche Objektive) können das mithilfe eines Bildstabilisators teilweise ausgleichen.
Probiert verschiedene Belichtungszeiten in unterschiedlichen Situationen aus. Mit der Zeit bekommt ihr ein Gefühl für die Kamera und verinnerlicht die Einstellungen. Am wichtigsten ist: Geht raus und übt.
Mehr dazu im Kamera-Einmaleins
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