Fotografieren von Winterlandschaften – ein Guide für Fortgeschrittene

Scott AntcliffeReisen und Landschaften06 Dez. 20236 Minuten Lesezeit
Scott Antcliffe photos for Nikon magazine article

Fotograf Scott Antcliffe erfüllt sich einen Kindheitstraum und reist nach Island, um die beeindruckende Landschaft zu fotografieren. Hier verrät er, wie man sich vorbereitet, welche Kameraeinstellungen die besten sind und wie man Schnee am besten einfängt

Als Kind hatte ich aufgrund der finanziellen Verhältnisse meiner Familie nie die Möglichkeit, zu reisen. Stattdessen las ich Zeitschriften wie National Geographic Traveller und Wanderlust von der ersten bis zur letzten Seite. Sie wurden zu meinem Reisepass ins Unbekannte, zu meiner Flucht aus dem Gewöhnlichen. Auf diesen Hochglanzseiten entdeckte ich die Welt jenseits des Horizonts. Das entfachte ein Fernweh, das meine Träume und Bestrebungen noch Jahre später prägen sollte.

Für Fotograf:innen ist Island wie eine leere Leinwand: Es birgt unendliche Möglichkeiten. Das ständig wechselnde Wetter ist ein unvorhersehbares Element. Innerhalb weniger Augenblicke verwandelt sich die Szene von ätherischem Nebel in strahlenden Sonnenschein. In diesem Jahr konnte ich Island – ein Reiseziel, das mir so unerreichbar schien – endlich von meiner Wunschliste abhaken. Die Planung eines solchen Abenteuers ist keine leichte Aufgabe. Hier sind meine besten Tipps.

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Vorbereitungen wie für eine Arktis-Expedition

Erfolgreiche Winterlandschaftsfotografie beginnt damit, sich vor den Elementen zu schützen. Zur Grundausstattung gehören eine wärmende Grundschicht, eine mittlere Schicht, eine wasserdichte Außenjacke und Hose, eine Mütze, feste Stiefel und zwei oder drei Paar Handschuhe, um immer ein trockenes Paar zu haben. Packt Handwärmer für Momente ein, in denen ein scharfer Wind alles durchdringt. Fingerlose Handschuhe mit Fäustlingsüberzug funktionieren gut.

Unverzichtbare Kameraausrüstung

Die Nikon Z9 bietet eine Mischung aus Schnelligkeit, erstaunlichem Autofokus und atemberaubender Bildqualität. Sie ist ideal für die vielfältigen, unterschiedlichen Themen und Genres, die ich fotografiere. Ich habe sie seit 18 Monaten und liebe sie innig. In Island habe ich das AF-S NIKKOR 24-70mm f/2.8 ED VR und das AF-S NIKKOR 70-200mm f/2.8 E FL ED VR mit dem Bajonettadapter FTZ II verwendet.

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Z9 + AF-S NIKKOR 24-70mm f/2.8 ED VR + Bajonettadapter FTZ II

Stative sind der Schärfe halber unverzichtbar. Mit einem Fernauslöser werden Vibrationen vermieden. Gewichtshaken und Ausrüstungssäcke dienen auch als Ballast und sorgen für Stabilität bei den oft unvorhersehbaren, klimatischen Winden Islands (oder anderswo). Ich verwendete ein Gitzo GT2545T Stativ mit einer Schnellwechselplatte. Es ist stabil und zuverlässig. Dazu den Gitzo G2020 Säulengewichtshaken mit einem Selens-Sandsack mit isländischem Sand als Ballast.

Bei extremer Kälte solltet ihr eure Ausrüstung hinter einem Windschutz oder sogar im Auto aufbewahren. Glücklicherweise war die kälteste Temperatur während meiner 12 Tage in Island „nur“ –9 °C. Es versteht sich natürlich von selbst, dass ihr zusätzliche Akkus mitnehmen solltet. Das kalte Wetter entlädt den Akku schnell, ebenso wie die Verwendung des elektronischen Suchers. Ich rate auch dringend zu einer Kamerahülle mit Kordelzug, die das Objektiv abdeckt.

Nehmt einen Satz Neutraldichtefilter mit für längere Verschlusszeiten zur Glättung winterlicher Gewässer. Ein zirkularer Polarisationsfilter vertieft das Blau des Himmels und reduziert nichtmetallische Blendeffekte. Ich verwende das Filterset LEE 100 Deluxe, das einen Polfilter, einen Neutraldichte-Verlaufsfilter mit 2, 3 und 4 Blendenstufen und den „Big Stopper“ enthält  einen Filter mit 10 Blendenstufen, den ich aber nur selten verwende.

Mehr lesen: Der unverzichtbare Leitfaden für Filter: Welche sind für Schnee, Wasser und Effekte geeignet?

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Herausforderungen bei Belichtung und Belichtungsmessung

Heller Schnee verfälscht die Belichtungsmessung und unterbelichtet oft die mittleren und vorderen Bildelemente. Je nach Kamera und Belichtungsmesssystem könnt ihr eine 18%ige Graukarte verwenden, um die genaue Belichtung einzustellen und gegebenenfalls etwas anzupassen. Euer Belichtungsmesser zeigt vielleicht an, dass die Belichtung korrekt ist. Aber eure tatsächlichen Bilder sehen vielleicht ganz anders als gewünscht aus. Eine Überbelichtung von 0,7 oder sogar +1 wird dazu beitragen, das makellose Weiß des Schnees zu erhalten.

Wenn ihr überbelichtet, könnte das zu einem leichten Blaustich in euren Bildern führen. Wenn ihr in RAW aufnehmt, seid ihr vielleicht versucht, das gesamte Blau in eurem Bild zu entfernen. Das könnte aber zu sehr unnatürlichen Schneebildern führen. Ich fotografiere immer im RAW-Format. So habe ich viel mehr Daten in der Datei, was die Bearbeitung wesentlich erleichtert. Das ist vor allem bei Landschaftsaufnahmen mit einem viel größeren Dynamikumfang von Vorteil und gibt mir die Flexibilität, den Weißabgleich zu optimieren.

Wenn euer Bild blau ist, liegt das daran, dass der Schnee den Himmel reflektiert. Wenn direktes Sonnenlicht auf den Schnee fällt, sollten eure Bilder weniger blaustichig sein. Auch ist es dann einfacher, ein helles Weiß zu erzielen.

Mit der mittenbetonten Messung und der Spotmessung könnt ihr Schnee und Schatten in der Regel ausgleichen. Ihr bekommt damit eine genauere Belichtungsmessung basierend auf der verfügbaren Lichtmenge. Das ist besonders bei verschneiten Landschaften wichtig, da man die Lichter nicht verwischen möchte.

Erstellt Belichtungsreihen – so bleiben die Details in den Lichtern und Schatten in der Nachbearbeitung erhalten. Dadurch könnt ihr auch HDR-Bilder mit mehr Details aufnehmen. Dann bleiben am Ende mit Sicherheit mehr gute als schlechte Bilder übrig.

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Ideale Kameraeinstellungen: f/11, niedriger ISO-Wert und 1/2000 Verschlusszeit

Die Tageszeit, das verfügbare Licht und das Motiv bestimmen die besten Einstellungen für eure Kamera.

Für allgemeine Landschaftsaufnahmen verwende ich eine Blende von f/11, den niedrigstmöglichen ISO-Wert und eine Verschlusszeit zwischen 1/400 und 1/2000. Wenn ihr Wasserfälle fotografiert, wählt ähnliche ISO- und Blendenwerte. Ändert die Verschlusszeit aber auf 1/30 oder sogar ein paar Sekunden. Ich würde einen ND-Filter mit 2 Blendenstufen verwenden, wenn ich eine längere Belichtungszeit als 1/30 anstrebe.

Öffnet bei Nachtaufnahmen die Blende so weit wie möglich, vor allem, wenn ihr Polarlichter oder die Milchstraße fotografiert. Meine ISO-Werte variieren je nach Lichtverhältnissen zwischen ISO 1250 und 3200. Die Zeitspanne liegt zwischen 1 Sekunde und 20 Sekunden, je nachdem, was ich aufnehmen will.

Beim Weißabgleich würde ich zunächst mit Auto beginnen und sehen, ob die Ergebnisse dem entsprechen, was ich mit meinen Augen sehe. Wenn das nicht der Fall ist, versuche ich die Einstellung „Sonnenlicht“. Für ein stimmungsvolles Bild funktioniert manchmal die Einstellung „Glühlampe“ recht gut. Wenn ihr euren Weißabgleich manuell einstellen möchtet, versucht es mit etwa 6500K und nehmt dann bei Bedarf kleine Anpassungen vor.

Ein weißes, verschneites Motiv kann schwierig zu fokussieren sein. Besonders mit dem Autofokus, da dieser ständig versucht, scharfzustellen. Es ist besser, manuell zu fokussieren – stellt einfach auf eine kontrastierende Farbe, einen Felsen oder ein Gebäude scharf. Ihr könnt jederzeit die Live-View-Ansicht verwenden und in das Bild einzoomen, um zu prüfen, ob die Schärfe stimmt.

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Eine Checkliste für die Postproduktion

Seid darauf vorbereitet, Winterbilder sorgfältig zu bearbeiten. Hier meine Checkliste für die Nachbearbeitung:

  • Passt Belichtung, Kontrast und Farbbalance an, um glitzernden Schnee, blassen Himmel und gedämpfte Schatten genau wiederzugeben.
  • Passt die Kontrastkurven leicht an, um funkelnde Highlights hervorzuheben.
  • Kompensiert flaches Licht durch mehr Dynamik.
  • Verdunkelt hellere Schneebereiche mit Hilfe von Luminanzmasken, um Schattendetails herauszuarbeiten.
  • Entfernt alle störenden Staubflecken auf dem Sensor, die gegen den Schnee unsichtbar sind.

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