Video-Grading wie ein Profi mit RAW und LOG

Dom Salmon Videografie17 Sept. 202510 min read
Nikon magazine

Filmmaterial in RAW und LOG sind der Schlüssel zu euren eigenen Meisterwerken. Dom Salmon lüftet das Rätsel um diese Dateiformate

Zuvor haben wir uns mit den Grundlagen des Color Grading für Videos beschäftigt, allerdings nur für das „native“ Filmmaterial, das eure spiegellose Nikon-Kamera aufnimmt. Ich hoffe, ich konnte zeigen, dass selbst die kleinsten Änderungen bei der Farbkorrektur ein schlechtes Video aufpeppen, ein gutes Video großartig machen und sogar dazu beitragen können, eine bestimmte Stimmung und einen Stil in der Story zu erzeugen.

Das ist oft alles, was ihr braucht. Ich liebe Nikon Farbtechnologie. In acht von zehn Fällen kommt das aufgenommene Bild dem endgültigen Bild sehr nahe. Mit Picture Control von Nikon habt ihr viele weitere stilistische Optionen, die ihr mit einem Klick auswählen könnt. Wenn ihr eine Nikon Z50II, Z5II, Z6III oder Zf habt, könnt ihr auch eine wachsende Auswahl an Bild-Rezepten aus der Nikon Imaging Cloud nutzen.

Aber was ist, wenn ihr eine ganz eigene kreative Vision habt oder euch möglichst viel kreativen Spielraum für später offenhalten wollt? Dann kommt das Video-Menü ins Spiel und ihr könnt die RAW- und/oder LOG-Optionen auswählen.

Diese Formate, die mittlerweile sowohl für Filmschaffende als auch für Enthusiasten zum Standard geworden sind, bieten euch eine beispiellose kreative Kontrolle. Sie erlauben es, euer visuelles Storytelling in der Postproduktion viel mehr zu beeinflussen. Aber zuerst mal die wichtige Frage: … Was genau ist RAW- und LOG-Filmmaterial?

Wenn normales „natives“ Filmmaterial wie ein Fertiggericht ist – einfach in den Ofen und fertig –, dann sind RAW- und LOG-Filmmaterial die Zutaten: unbearbeitet, unverfälscht und bereit für eure eigenen Kochkünste.

RAW-Dateien speichern alle Informationen vom Sensor der Kamera, ohne sie weiter zu verarbeiten. So habt ihr maximale Flexibilität bei der Anpassung von Einstellungen wie Weißabgleich, Belichtung und Farbe in der Nachbearbeitung. Wenn ihr maximale Präzision, volle Qualität und keine Details verpassen wollt, ist RAW eine hervorragende Option.

LOG-Filmmaterial hingegen ist ein stärker bearbeitetes Format, das durch die Verwendung einer logarithmischen Tonwertkurve (daher der Name) einen großen Dynamikumfang beibehält. Macht euch keine Gedanken über die Mathematik dahinter! Es bedeutet lediglich, dass a) nicht dieselbe Datenmenge wie bei RAW übertragen wird und b) ein flacheres, entsättigtes Bild entsteht, das sich in der Nachbearbeitung viel einfacher behandeln und bearbeiten lässt. LOG ist ideal für Filmschaffende, die kreative Flexibilität mit handhabbaren Dateigrößen und Workflows in Einklang bringen möchten.

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Dom Salmon

Writer and Photographer

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Das steckt in der Kameratasche

Warum RAW oder LOG verwenden?

Beide Formate sind dank ihres Dynamikumfangs und ihrer Flexibilität bestens für Filmprojekte geeignet.

Kreativer Spielraum

Mit beiden Formaten könnt ihr Farben, Schatten und Highlights so bearbeiten, wie es mit normalen Videoformaten einfach nicht geht. Diese Formate kann man deutlich besser ausreizen als Filmmaterial, bei dem viele Einstellungen bereits „fest eingebrannt“ sind.

Dynamikumfang

LOG komprimiert Lichter und Schatten, sodass Details auch bei extremem Licht besser erhalten bleiben. Bei Videos ist es genauso wie bei Fotos: Es passiert schnell, dass helle Stellen überbelichtet und dunkle zu dunkel werden. Das bedeutet, diese Bereiche enthalten keine Informationen, alle feinen Details sind verloren.

Zukunftssicher

Wenn ihr mit diesen Formaten arbeitet, könnt ihr jederzeit darauf zurückgreifen und zum Original zurückkehren. Habt ihr es übertrieben, weil ein bestimmter visueller Trend angesagt war? Kein Problem, denn RAW und LOG geben euch die Möglichkeit, alles noch mal zu überarbeiten. Ihr könnt nicht nur das Aussehen komplett ändern, sondern die Qualität bleibt dabei genauso gut wie zum Zeitpunkt der Aufnahme.

Die Nachteile

Riesige Dateien

Und ich meine riesig. Vor allem RAW-Dateien können schnell viel Speicherplatz beanspruchen und brauchen starke Hardware, um verarbeitet zu werden. Die Anforderungen sind so hoch, dass sich die Kamera bei hohen Daten-/Bildraten nach einer Weile sogar abschalten kann, um ihre Schaltkreise zu schützen.

Lernkurve

Am Anfang könnte euch das flache, leblose Aussehen von RAW- und LOG-Filmmaterial vielleicht etwas abschrecken. Wo fängt man an? (Hier, hoffe ich!)

Zeitintensiv

Das Grading und die Bearbeitung dauern einfach länger als bei Standardaufnahmen, die man direkt verwenden kann. Ich meine, man muss sofort irgendetwas tun, damit es „normal“ aussieht. Eine Qual, oder?

Von links nach rechts: Achromic, Film Bias, Film Bias Bleach Bypass, Film Bias Offset, keine LUTs

LUTs als Cheat-Codes verwenden

Wie machen wir nun diese langweiligen, faden Dateien IMAX-tauglich? Zum Glück gibt's einen schnellen Trick, um sie sofort zu verbessern: LUTs. LUTs (Look-up-Tabellen) sind vordefinierte Farbeinstellungen, die flaches Filmmaterial in ein lebendiges, fertiges Produkt verwandeln.

Wenn ich mein N-Log in Final Cut in farbkorrigiertes Filmmaterial umwandeln will, ziehe ich den Clip einfach auf meine Zeitachse, ziehe den Effekt „Custom LUT” aus dem Effekt-Browser darauf, wähle die LUT für das N-LOG-Profil von Nikon aus, um die Farbgenauigkeit sicherzustellen, und … fertig.

Für den Einstieg gibt es exklusive (und kostenlose!) LUTs von Nikon und RED zum Ausprobieren.

Diese LUTs arbeiten perfekt mit Nikon RAW- und LOG-Aufnahmen zusammen und liefern sofort kinoreife Ergebnisse. Hier geht's zum Download.

Achromic

Viel weicheres Schwarz-Weiß als unser Nosferatu-Tribut-Style. Großartig für die Erhaltung von Details und für ein sanftes, künstlerisches Aussehen.

Film Bias

Ein klassischer filmischer Look. Es ist eine schöne LUT, um Hauttöne sehr schmeichelhaft, warm und natürlich aussehen zu lassen. Eine großartige Alternative zu vielen extremeren Grading-Looks, die derzeit im Trend liegen.

Film Bias Bleach Bypass

Sehr dramatisch und voller Kraft. Etwas wärmer und weicher als mein eher grün-cyanfarbener Private Ryan-Ansatz oben, aber es verleiht den Aufnahmen sofort mehr Ausdruck, Realismus und Wirkung. Großartig, um eurem Film das gewisse Etwas zu verleihen.

Film Bias Offset

Diese LUT ist eine etwas klassischere Variante der einfachen Film Bias LUT und bringt warme Töne (vor allem bei Haut) auf eine sichtbare, aber natürliche Weise besser zur Geltung. Sie eignet sich auch wunderbar, um Außenaufnahmen und Landschaften optisch aufzuwerten und Szenen im Freien mehr Weite und Atmosphäre zu verleihen.

Tool-Tipp: Auch wenn die LUT technisch gesehen zu 100 % korrekt ist, was die Übersetzung eures Filmmaterials angeht, könnt ihr sie dennoch weiter verändern, um sie an eure Szene anzupassen. Ich benutze das praktische „MIX”-Tool von Final Cut, um die Stärke der LUT in meinem Filmmaterial zu variieren. Wenn das Ganze etwas zu hell und „spitz“ wirkt, reduziert den Wert ein wenig, etwa auf 75 %, damit es natürlicher aussieht.

Einen filmischen Look manuell erstellen

LUTs vereinfachen den Grading-Prozess und bieten eine professionell aussehende Basis, auf der ihr aufbauen könnt. Um das Grading für Filme aber richtig zu meistern, müsst ihr die Ärmel hochkrempeln und euch an die Arbeit machen. Im eigenen Color Grading treffen Kunst und Technik aufeinander. Mit Software wie Adobe Premiere, DaVinci Resolve und Final Cut Pro habt ihr die volle Kontrolle über euer Filmmaterial und könnt euren einzigartigen Look erstellen, der für eure kreative Vision steht.

Mit diesen detaillierteren Formaten könnt ihr ausdrucksstarke Videos erzielen. Also, schauen wir uns an, wie wir mit unserem RAW/LOG-Filmmaterial kinoreife Looks hinbekommen.

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Saving Private Ryan – Landung am D-Day in Omaha Beach

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Bleach Bypass

Inspiriert von einer klassischen Technik aus der Dia-Entwicklung, verleiht Bleach Bypass den Aufnahmen einen rauen Look und mehr Drama. Der Kameramann Janusz Kamiński, ein echtes Genie und langjähriger Partner von Steven Spielberg, ist bekannt für diesen Look, der in dem Oscar-prämierten Film Saving Private Ryan seinen kreativen Höhepunkt erreichte.

Dieser Look kommt eigentlich vom analogen Fotofilm. Er entsteht, wenn der Bleichschritt bei der Entwicklung weggelassen wird. So blieb mehr Silber im Negativ, was auf Kosten der Farbstoffe ging. Das hat zu einem entsättigten und körnigen Look geführt, der manchmal fast monochrom wirkt. Er ist auch sehr kontrastreich. Technisch gesehen ist das zu 100 % „falsch“, aber es erzeugt einen starken Look, der die emotionale Bindung des Publikums erheblich beeinflussen kann. Schaut euch die Eröffnungssequenz der Strandlandung in Saving Private Ryan an. In hellen, sonnigen Farben würde es nicht so albtraumhaft und klaustrophobisch wirken. Die Nikon/RED-Version dieser LUT ist ein super Ausgangspunkt.

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Bleach Bypass. In dieser sehr dunklen Teefabrik musste ich, um irgendwelche Details in den Schatten zu bekommen, die hellen Bereiche komplett überbelichten. Dieser kontrastreiche Look passte super zu einem Bleach-Bypass-Grading. Der leicht „kränkliche“ Grünstich hebt diesen Effekt noch mehr hervor.

Look-Tipp: Entfärbt das ganze Bild ein wenig und erhöht dann den Kontrast deutlich. Habt keine Angst, die Highlights ganz weiß zu machen. Gebt den Schatten einen leichten grünen, fast „kränklichen“ Farbton, um einen dramatischen, atmosphärischen Look zu erzielen. Fügt einen leichten Cyan-Ton zu den hellen und mittleren Bereichen hinzu. Wenn ihr einen Körnungsfilter habt, setzt den vorsichtshalber auch drauf, und fertig!

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Eröffnungskampfszene | Dune: Zweiter Teil (2024)

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Sonnenseite

Um die feindselige, heiße und trockene Natur des Planeten Arrakis in den Dune-Filmen zu betonen, hat Kameramann Greig Fraser den „Duotone“-Look (also monochrom mit einer dominanten Einzelfarbe) geschaffen, meist mit einem starken Orange-Farbstich über das ganze Bild.

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Tonwert. Die sehr dunstige Stimmung bei starker Sonne war ideal, um den Fokus auf die Silhouette zu legen, indem ich das Bild in einen goldenen Farbton tauchte.

Look-Tipp: Wählt eine Farbe, die für euch ein starkes Storytelling-Element hat, und setzt voll darauf. Denkt daran, dass ihr nicht einfach nur eine Farbe auftragt, sondern auch entfernt. Für einen besonders starken Orange-Look reduziert andere Farben wie Grün und Blau. Oft ist es besser, Schatten, Mitteltöne und Lichter separat zu bearbeiten, anstatt nur einfach den Schieberegler „GLOBAL“ zu benutzen. Wenn ich finde, dass das Bild so nicht genug Tiefe und Kontrast hat, würde ich im orangefarbenen Beispiel die Schatten vielleicht ganz dunkel machen und etwas Cyan/Türkis dazugeben, um wieder mehr Kontrast und Tiefe zu erzeugen.

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Nosferatu – offizieller Trailer

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N-log Noir

RAW oder LOG eignen sich super für monochrome Looks, weil sie von Anfang an nicht so viele überflüssige Einstellungen wie Kontrast oder Sättigung haben. Ihr müsst also nicht mit der Farbkorrektur kämpfen, sondern könnt einfach etwas hinzufügen.

Look-Tipp: Nicht einfach die Farbe abschalten! Versucht, die Sättigung in verschiedenen Bereichen des Bildes auf unterschiedliche Weise zu reduzieren. Ein aktueller Film, den ich sehr mag, ist Nosferatu von Robert Eggers. Der Kameramann Jarin Blaschke hat Bilder geschaffen, die einem das Gefühl geben, einen Schwarz-Weiß-Film zu sehen – in dem jedoch noch Spuren von Farbe zu erkennen sind. So entsteht eine moderne Interpretation eines klassischen Kino-Looks. Wenn man den Kontrast und die Körnung erhöht, sieht das Bild tiefer aus und wirkt viel analoger und weniger „digital“.

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Mono. Es ist kein echtes Schwarz-Weiß-Bild, aber die ursprüngliche Landschaft wirkte aufgrund der starken Bewölkung am Mittag etwas flach. Deshalb habe ich den Kontrast erhöht und den Farbabgleich in die Schatten und Lichter verschoben, um einen völlig neuen visuellen Eindruck einer sehr kargen, öden Landschaft zu schaffen.

Beginnen wir mit dem Grading

Es stimmt, dass man Fantasie, technisches Know-how und eine Menge Geduld braucht, um RAW- und LOG-Material wirklich zu meistern. Aber ein bisschen Würze kann selbst das langweiligste Gericht aufpeppen! Es ist gar nicht so schwer, einen coolen und persönlichen Stil zu entwickeln, der gut ankommt.

Letztlich sind RAW und LOG nicht nur Werkzeuge für mehr technische Kontrolle – sie eröffnen euch die Freiheit, gezielt einen eigenen Stil, eine bestimmte Stimmung und eine visuelle Erzählweise zu entwickeln, die weit über vorgefertigte Presets hinausgeht.

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Gold. Die Ockertöne der Ziegelsteine im Vordergrund und das Gras im Hintergrund bilden einen sehr warmen Rahmen. Dank des neutralen Dateiformats konnte ich viele Details in den Gesichtern wiederherstellen, die sonst verloren gegangen wären.

Grading-Projekte zum Ausprobieren

Goldene Stunde

Filmt einen Freund oder eine Freundin bei Sonnenuntergang im Freien während der „Goldenen Stunde“ und verwendet N-Log als Basisdatei. Konzentriert euch in der Nachbearbeitung darauf, die Hauttöne mit den lebhaften Hintergründen auszubalancieren, um dem Filmmaterial einen warmen, nostalgischen Look zu geben. Findet die perfekte Balance zwischen gesättigt und überbelichtet – vielleicht probiert ihr dazu Nikons RED Film Offset Bias LUT aus und versucht dann, den Effekt selbst nachzubilden. Fügt mit den Ebenen-Funktionen einen leichten Kontrast hinzu und verschiebt die Mitteltöne ein wenig in Richtung eines goldeneren Farbtons. Dann könnt ihr mit dem GLOBAL-Sättigungsregler bestimmen, wie stark der Boost sein soll.

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Brillant. Es war so lustig, mit diesen Kindern zusammen zu sein. Durch den Kontrast und die Sättigung konnte ich ihre Energie richtig zum Ausdruck bringen.

Stadtaufnahmen

Nehmt ein paar Aufnahmen in der Stadt auf und versucht, eine starke Story zu erzählen, statt nur den Ort festzuhalten. Auch hier ist N-Log ein super Start, weil ihr nicht so viele Farbinformationen braucht. Nehmt die Farben im roten Bereich etwas zurück und setzt insgesamt mehr auf Cyan-Töne. Überlegt dann, wie Kontrast euer Bild beeinflussen könnte. Hoch drehen, um es krass und bedrohlich zu machen? Oder ganz weit runter, um einen düsteren und bedrückenden, flachen Look zu erzeugen? Vergleicht eure Grading-Ideen noch mal mit dem Bleach-Bypass-LUT von RED, um zu sehen, wie viel Drama euer Grading hinzufügt.

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Stadt. Obwohl die Kulisse fantastisch war, fand ich die Dunkelheit dieser Stadt ein bisschen langweilig. Ich habe die Farbe komplett herausgenommen und so stark wie möglich Richtung Schwarz gedrückt. Viel weniger ein „Touri-Foto“!

Bewegung in der Sonne

Nehmt ein paar fröhliche Aktivitäten (Sport, eine Geburtstagsparty – alles mit viel Bewegung ist super) in heller Umgebung im Freien auf. Schaut euch das RAW-Material an und beachtet die erstaunliche Detailtreue, die als Grundlage dient, um Kraft und Stimmung der Bilder zu verstärken. Im Gegensatz zur vorherigen Challenge könnt ihr mit Sättigung und Kontrast das Beste aus RAW herausholen – Farben und Schärfe werden verstärkt und die Story wirkt positiver und lebendiger.

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